Wenn der Prozessor Däumchen dreht
06.06.2023Matthias Jung ist neuer Professor an der Universität Würzburg. Am Institut für Informatik forscht er daran, wie Computer effizienter, schneller und sicher arbeiten können. Fasziniert ist er von den Antennen am Informatikgebäude.
Wenn Matthias Jung Studierende in seiner Vorlesung fragt, was sie glauben, wie viele Computer in einem Auto von heute arbeiten, lautet die Antwort schon mal: „Zwei – und vielleicht noch ein dritter als Backup“. Tatsächlich können es bis zu 150 sein. Weil leistungsstarke Rechner viel Energie verbrauchen, stellt diese hohe Zahl die Entwickler von E-Autos vor Probleme, denn jedes Watt, das in die Computer fließt, kostet beim Fahren Reichweite. Und die ist in vielen Fällen ohnehin schon knapp.
Wie Rechner energieeffizienter arbeiten: Daran forscht Matthias Jung. Allerdings nicht nur. Auch Performanz und funktionale Sicherheit sind Aspekte, die er bei der Konfiguration von Computern im Blick hat. Jung hat seit dem 1. April 2023 die Professur für Technische Informatik am Lehrstuhl für Informatik XVII der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) inne. Passender findet er die englische Übersetzung dieser Professur, dann verrät der Name gleich den wesentlichen Inhalt: Computer Engineering.
Speicher werden oft vergessen
Wenn es um die Leistung eines Computers geht, richtet sich die Aufmerksamkeit meistens auf die Prozessoren, die in seinem Inneren arbeiten. Nicht so bei Matthias Jung: „Mich interessieren vor allem die Speicher“, sagt er. In diesem Bereich habe er sich in den vergangenen Jahren „eine Nische gebaut“. Während bislang viel getan wurde und noch immer getan wird, um Prozessoren zu beschleunigen, werden Speicher seiner Erfahrung nach oft vergessen. „Bei den Speichern kommen immer noch Produkte aus dem Consumer-Bereich zum Einsatz mit dem Ergebnis, dass beispielsweise Spezialrechner für Machine Leaerning Däumchen drehen, weil der Speicher deren Anfragen nicht schnell genug abarbeiten kann“, so Jung.
Jung hat deshalb unter anderem eine Simulation entwickelt, mit der es möglich ist, im Rahmen einer Design Space Exploration zu untersuchen, welche Speicherarchitektur die beste ist für spezielle Anforderungen – ohne dass man deshalb eine Vielzahl von unterschiedlich konfigurierten Rechnern einem Praxistest unterziehen muss.
Jungs wissenschaftlicher Fokus liegt auf eingebetteten und autonomen Systemen, insbesondere mit den Schwerpunkten Speicherarchitekturen, funktionale Sicherheit und virtuelle Produktentwicklung von eingebetteten Systemen durch virtuelle Plattformen und Simulationen. „Eingebettete Systeme“: Diese findet man in technischen Geräten, die zwar einen Computer besitzen, denen man das aber nicht ansieht, wie Jung erklärt. Die Beispiele reichen vom Telefon auf dem Schreibtisch bis zum Auto in der Garage.
Studium und Promotion in Kaiserslautern
Matthias Jung hat von 2006 bis 2011 Elektrotechnik an der TU Kaiserslautern studiert. Von 2011 bis 2017 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe „Mikroelektronischer Systementwurf“ der TU Kaiserslautern. 2017 wurde er mit einer Arbeit über “Modeling, Analysis and Optimization of DRAM Memories and their Controller Architectures“ promoviert. Für diese Arbeit erhielt er 2018 den European Design and Automation Association Outstanding Dissertation Award.
Von 2017 an ist Jung in der Abteilung „Eingebettete Systeme“ des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern als Expert Engineer für Virtual Hardware Engineering tätig. Im Dezember 2022 wurde er als Professor für eingebettete Systeme an die htw saar berufen. An der JMU wird Matthias Jung seine Forschung im Bereich der eingebetteten Systeme fortsetzen, Vorlesungen zum Computer Engineering übernehmen und dabei sein Wissen aus zehn Jahren Berufserfahrung an die Studierenden weitergeben.
Überzeugt von der akademischen Freiheit
Warum hat er sich für eine Karriere in der Wissenschaft entschieden? Mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten müsste er in der Industrie doch mindestens ebenso interessante – und wahrscheinlich deutlich besser bezahlte – Stellen finden können. „Für mich ist das Überzeugungssache. Meiner Meinung nach müssen Forschungsergebnisse allen zugänglich sein, um uns global voranzubringen“, sagt Jung. Darüber hinaus schätze er die große Freiheit, die eine Professur mit sich bringt.
Dass er diese Freiheit nun in Würzburg ausleben darf, freut ihn aus mehrfacher Hinsicht. Zum einen gefällt ihm die Stadt mit dem Fluss und der Alten Mainbrücke sehr gut. Zum anderen passt die „starke technische Ausrichtung“ der JMU-Informatik gut zu seinem Forschungsprofil. Der Schwerpunkt in der Luft- und Raumfahrtinformatik und die Entwicklung eigener Satelliten haben es ihm dabei besonders angetan.
Als Funkamateur engagiert
Dass ihm bei seinem ersten Besuch des Informatikgebäudes am Hubland die großen Antennen auf dem Gebäude ins Auge gefallen sind, hat allerdings einen anderen Grund: Matthias Jung engagiert sich in seiner Freizeit ehrenamtlich im Deutschen Amateur Radio Club e. V. (DARC). Dort liegt ihm als Bundesreferent für „Ausbildung, Jugend und Weiterbildung“ die frühe Bildung junger Menschen im Bereich der MINT- und Hochfrequenztechnik am Herzen.
Funkamateure wie er entwickeln und betreiben zum Beispiel ein europaweites Funknetzwerk, das HAMNET, das auch dann funktioniert, wenn das Internet ausfällt, oder entwickeln und betreiben Funkgeräte für die Satellitenkommunikation über den Geostationären Satelliten Eshail 2. Dass die Würzburger Informatik über Funk Kontakt zu ihren Satelliten hält, findet er deshalb mehr als spannend. Dementsprechend steht schon jetzt weit oben auf seiner To-do-Liste der Punkt: Mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Luft- und Raumfahrtinformatik vernetzen und gemeinsame Projekte überlegen.
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Matthias Jung, Institut für Informatik, T: +49 931 31-87068, m.jung@uni-wuerzburg.de