Die Bücher des Heiligen Kilian gehen online
06.07.2011Universitätsbibliothek und Informatik II digitalisieren die Handschriften der ehemaligen Würzburger Dombibliothek.
„Liber Sancti Kyliani“ lautet der Besitzeintrag in den altehrwürdigen Handschriften der früheren Würzburger Dombibliothek, die seit 1803 zum Bestand der Universitätsbibliothek gehören. Was in den Jahren nach der Gründung des Bistums Würzburg im Jahr 742 als sorgsam gehüteter Privatbesitz des Frankenapostels St. Kilian galt, soll nun für jedermann im Internet zugänglich werden.
Zu den Schätzen, die zur Digitalisierung vorbereitet werden, gehören eng mit der Würzburger Bistumsgeschichte verknüpfte Prachthandschriften wie das Kiliansevangeliar, aber auch weltweit nur hier, in der Dombibliothek, überlieferte Texte von internationaler Relevanz. Dazu gehören die Traktate des im Jahr 385 als Ketzer hingerichteten spanischen Theologen Priscillian oder die altirischen Kommentierungen der Paulusbriefe aus dem 8. Jahrhundert, die den Grundstein für die Rekonstruktion der frühen irischen Sprache legten. Die Bücher, die die angelsächsischen Bistumsgründer nach Würzburg brachten, stammen aus Fulda und Mainz, aus dem schweizerischen St. Gallen und Luxeuil in Frankreich, aus Italien, Irland und aus ihrer englischen Heimat. Zugleich zeigen die heute noch 214 in Würzburg aufbewahrten Dombibliothekshandschriften jedoch auch, wie die fränkischen Schüler der Gründergeneration Schrifttradition und Wissenschaft ihrer Zeit aufnahmen und für sich weiterentwickelten. Damit sind die Bücher der Dombibliothek ein Stück europäischer Kulturgeschichte, aber zugleich auch Zeugnisse des Ursprungs christlicher Bildung am Main.
Die Schätze der Vergangenheit ins Netz zu bringen, verlangt den Bibliothekaren der Handschriftenabteilung, den Scan-Spezialisten des Digitalisierungszentrums und den Informatikern des Lehrstuhls einiges ab: Gebrochene Buchrücken, starr gewordenes Pergament und viele andere konservatorische Probleme erlauben es oft nicht, die Handschriften weiter als 90 oder gar nur 60 Grad zu öffnen. Mit speziellen Scannern und aufwändiger Aufnahmetechnik wird versucht, auch diese Schriften in bester Qualität zu erfassen und dann die Digitalisate inhaltlich zu erschließen. Das anspruchsvolle Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vom Bayerischen Wissenschaftsministerium bis 2013 gefördert. Dann sollen alle 31266 Blätter der Würzburger Dom-Handschriften online sein und als weltweit zugreifbare Forschungsressource sowohl dem professionellen Mediävisten als auch dem interessierten Laien zur Verfügung stehen.
Kontakt:
Universitätsbibliothek Würzburg
Abteilung Handschriften und Alte Drucke
Dr. Hans-Günter Schmidt
hans-guenter.schmidt@bibliothek.uni-wuerzburg.de
Lehrstuhl für Informatik II
Prof. Dr. Jürgen Albert
albert@informatik.uni-wuerzburg.de
Quelle: Pressemitteilung der UB vom 10.5.2011